Wohnungsbaukrise: Baugenehmigungen auf Tiefstand – nächste Bundesregierung muss Wohnungsmangel zur Priorität Nummer eins machen

„Diese Zahlen verdeutlichen in aller Klarheit, dass wir uns in einer massiven und weiter eskalierenden Wohnungsbaukrise befinden“, sagte dazu Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. „Bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper, die Folgen für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland sind gravierend. Die Politik darf diesen dramatischen Trend nicht länger ignorieren. Die nächste Bundesregierung muss den Wohnungsbau endlich als oberste Priorität behandeln – es geht um nichts Geringeres als die soziale Stabilität unseres Landes.
Die neue Bundesregierung darf zudem nicht weiter immerzu nur abstrakt auf den angeblich großen Bauüberhang, also die Lücke zwischen Baugenehmigungen und Baufertigstellungen, verweisen. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen, dass das sicher nicht zu mehr Fertigstellungen führt.
Ohne ein umfassendes Sofortprogramm zur Ankurbelung des bezahlbaren Wohnungsbaus droht Deutschland auf lange Sicht ein noch größerer Wohnungsmangel. Wir fordern deshalb ein ambitioniertes Zinsförderprogramm, das Investitionen wieder wirtschaftlich tragfähig macht. Eine Zinssubvention auf ein Prozent wäre nicht nur ein dringend notwendiger Impuls für den Bau neuer Wohnungen, sondern würde sich durch Steuermehreinnahmen aus der Bauwirtschaft nahezu selbst finanzieren. In Verbindung mit kosteneffizientem, seriellem und modularem Bauen könnten so endlich wieder Neubaumieten entstehen, die sich auch Normalverdiener leisten können.
Die Bundesregierung darf nicht länger auf Zeit spielen. Ein bloßes ‚Abarbeiten‘ angeblicher Bauüberhänge reicht nicht aus – es muss sofort gehandelt werden. Die dramatisch gestiegenen Baukosten, hohe Zinsen und unzureichende Förderanreize ersticken den Wohnungsbau im Keim.
Die Wohnungswirtschaft hat wiederholt gewarnt: Die Rahmenbedingungen für den Bau neuer Wohnungen sind außer Kontrolle geraten. Jetzt sind entschlossene Maßnahmen gefragt. Deutschland braucht mindestens 60.000 neue bezahlbare Mietwohnungen und 80.000 Sozialwohnungen jährlich – davon sind wir aktuell meilenweit entfernt.
Wenn die Politik nicht rasch handelt, verschärft sich die Wohnungsnot weiter – mit dramatischen Folgen für Mieterinnen und Mieter sowie für die gesamte Bauwirtschaft. Die nächste Bundesregierung steht vor einer klaren Aufgabe: Sie muss endlich einen kraftvollen Neustart im Wohnungsbau einleiten, um bezahlbares Wohnen als soziale Frage unserer Zeit entschlossen anzugehen.“

Reform der Bauordnung muss zügig umgesetzt werden
Was sich auch in Hessen schon über die vergangenen Monate abzeichnete, fand dort ebenfalls seinen Niederschlag in der Jahresbilanz: Die Baugenehmigungen in Hessen sind 2024 gegenüber dem Vorjahr um 27,5 Prozent eingebrochen. Der Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW südwest) fordert zügige Änderungen in der Hessischen Bauordnung, um der Krise auf dem Wohnungsmarkt zu begegnen.
„Die aktuellen Zahlen verstetigen die negative Entwicklung, die wir seit 2022 an den Wohnungsmärkten beobachten“, sagte Dr. Axel Tausendpfund, Vorstand des VdW südwest. „Schon jetzt gibt es viel zu wenig bezahlbare Wohnungen und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Denn was nicht genehmigt wird, kann auch nicht gebaut werden.“
Die Zahlen seien alarmierend – umso mehr, wenn man sich vor Augen halte, dass der Rückgang gegenüber 2022 sogar 45 Prozent betrage. In absoluten Zahlen bedeute dies einen Absturz von 25.059 auf 13.772 Baugenehmigungen. Auch im deutschlandweiten Vergleich schneidet Hessen schlecht ab: Im Bundesdurchschnitt sind die Baugenehmigungen im Jahresvergleich 2024 zu 2023 „nur“ um 16,8 Prozent gefallen.
Keine Zeit bei Umsetzung des „Baupaket I“ verlieren
Tausendpfund pocht darauf, zügig Änderungen in der Hessischen Bauordnung vorzunehmen, um den Wohnungsbau wieder anzukurbeln: „Wir müssen dringend die Weichen dafür stellen, dass schnell mehr bezahlbare Wohnungen entstehen. Die Grundlage dafür liefert das Baupaket I, das der VdW südwest auf Initiative des Hessischen Wirtschaftsministeriums gemeinsam mit weiteren Experten aus der Wohnungs- und Baubranche erarbeitet hat.“ Die Vorschläge des Expertengremiums lägen auf dem Tisch. Der Gesetzesentwurf für die Novelle der Bauordnung stehe aber noch aus. „Die Politik darf angesichts der prekären Situation auf den Wohnungsmärkten keine Zeit mehr verlieren“, so Tausendpfund.
Im Baupaket geht es insbesondere darum, die kostentreibenden und nicht sicherheitsrelevanten Vorschriften in der Bauordnung zu reduzieren. Wohnbauvorhaben im unbeplanten Innenbereich und Änderungen bestehender Dachgeschosse zu Wohnzwecken sollten grundsätzlich genehmigungsfrei sein. Einer Genehmigung bedürfe es nur, wenn der Bauherr es ausdrücklich verlange oder es von der Bauaufsichtsbehörde ausnahmsweise gefordert werde, etwa bei bauplanungsrechtlich komplizierten oder denkmalschutzrelevanten Sachverhalten.
„Wir brauchen auch generell geringere Anforderungen an Brand- und Schallschutz beim Dachgeschossausbau und bei Aufstockungen von Wohngebäuden“, erläuterte Tausendpfund. „Hier liegt enormes Potenzial. Allein im Rhein-Main-Gebiet könnten rund 200.000 zusätzliche Wohnungen entstehen.“ Auch die Pflicht zur Schaffung von Kfz-Stellplätzen, wenn neue Wohnungen gebaut werden, müsse vor dem Hintergrund der damit verbundenen hohen Baukosten entfallen. Wohnen sei wichtiger als Parken. (schi/voo)