Tag der Wohnungswirtschaft 2024: „Sicher wohnen – wir machen das klar, wenn…“
Franz-Bernd Große-Wilde, Präsident des Verbandsrates, eröffnete den Verbandstag mit einem besonderen Hinweis auf die Jubiläumsausstellung zum 100-jährigen Bestehen des GdW. Die Ausstellung präsentierte vor Ort anschaulich die lange und bewegte Geschichte, die von den ersten genossenschaftlichen Initiativen im 19. Jahrhundert bis zu seiner heutigen Rolle als führender Verband der deutschen Wohnungswirtschaft reicht. Über die letzten 100 Jahre hinweg haben die Wohnungsunternehmen im GdW maßgeblich dazu beigetragen, den sozialen Wohnungsbau in Deutschland voranzubringen und sich konsequent für das bezahlbare Wohnen für breite Schichten der Bevölkerung stark zu machen. Besonders in den letzten Jahrzehnten hat die sozial orientierte Wohnungswirtschaft eine führende Rolle in der nachhaltigen Transformation der Branche eingenommen und bleibt ein zentraler Akteur für die Zukunft des Wohnens in Deutschland.
Gemeinsam mit Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser und Geschäftsführer Christian Lieberknecht zog GdW-Präsident Axel Gedaschko im Anschluss Bilanz über das vergangene Jahr. Dabei ging es unter anderem um die Arbeit im Bündnis bezahlbarer Wohnraum, die Entwicklung des seriellen Bauens und wohnungspolitische Themen auf EU-Ebene. Außerdem gab es zwei Ankündigungen: den Start einer eigenen KI für die Wohnungswirtschaft und der Launch der neuen Online-Plattform „Wohnungswirtschaft online“, die künftig als zentrale Informationsquelle für die Branche dienen soll.
CO2-Bilanz im Fokus
Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB), warf in ihrer Keynote einen Blick zurück auf die Zusammenarbeit und den Austausch mit der Branche in den letzten drei Jahren. Geywitz hob die Fortschritte im sozialen Wohnungsbau hervor und betonte die Notwendigkeit, den Wohnungsbau insgesamt zu beschleunigen. Kritisch zeigte sie sich gegenüber dem Gebäudeenergiegesetz (GEG), das deutlich vereinfacht werden müsse. „Aus meiner Sicht müssen wir dieses Gebäudeenergiegesetz grundsätzlich reformieren und viel, viel einfacher machen“, sagte Geywitz. Das sogenannte Heizungsgesetz sei „zu komplex“ und habe zu viele einzelne Vorschriften. Sie plädierte dafür, einen Schritt zurückzugehen und sich auf das Ziel zu beschränken, klimaschädliches CO₂ im Gebäudebereich einzusparen.
Auch die Wohnungswirtschaft fordert ein Umsteuern von immer mehr Effizienz hin zu einer klaren CO₂-Betrachtung. Um die Klimaziele im Wohnungsbestand bezahlbar umzusetzen ist ein Paradigmenwechsel hin zu einem Fokus auf CO₂-Reduzierung statt einseitig überbordender Einzelgebäudeeffizienz notwendig. Bei den Finanzierungsbedingungen muss die Politik dringend nachbessern und die Vorgaben der EU-Taxonomie sowie die der Europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) miteinander vereinbar machen.
Klimaschutz sozial gerecht umsetzen – Finanzierbarkeit wiederherstellen
„Wir sind es, die bezahlbaren Wohnraum in Deutschland schaffen und erhalten wollen. Und das trotz aller Widrigkeiten von Zinswende, Förderfiasko und Baukostensteigerungen von über 45 Prozent in nur vier Jahren. Wenn aber immer mehr Regulierungspläne von politischer Seite um sich greifen und handfeste Unterstützung für die sozial orientierte Wohnungswirtschaft Fehlanzeige bleibt, dann bleibt nur eines zu sagen: So geht es schlicht nicht weiter“, erklärte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, in seiner Grundsatzrede.
„Statt politischer Realitätsverweigerung muss endlich gesehen und auch anerkannt werden: Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden! Wunschträume von einer Verdreifachung der bei 0,7 Prozent dümpelnden Sanierungsrate und dann auch noch zunehmenden Neubauinvestitionen sind komplett utopisch. Was wir deshalb von der neuen Regierung brauchen, um auch weiterhin bezahlbares Wohnen zu sichern: einen echten Boost für den Neubau, einen Richtungswechsel beim Klimaschutz und endlich vernünftige Finanzierungsbedingungen“, sagt der GdW-Präsident. Vorschläge von Mietenstopps oder -moratorien sind dabei das Gegenteil einer sozial gerechten Wohnungspolitik. Solche Pläne würden Investitionen komplett abwürgen und wären damit Gift für die Zukunft des bezahlbaren Bauens, Sanierens und Wohnens.
„Wir brauchen eine realistische und sozial gerechte Klima- und Baupolitik. Nur dann können die sozial orientierten Wohnungsunternehmen ihren Auftrag und ihre Berufung, bei der wir sie als GdW seit nunmehr 100 Jahren unterstützen, auch für kommende Generationen gewährleisten: sozial gerechten Wohnraum bereit stellen und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland sichern“, sagte Gedaschko.
Zwischen Kostendruck und Klimazielen
Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte seine Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig ab und wurde von Bernhard Kluttig vertreten, der seit dem 15. November neuer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ist. In seiner Keynote betonte er, wie wichtig es sei, das Baurecht und die EU-Taxonomie für grüne Investitionen zu vereinfachen. Nach Kluttigs Einschätzung werde in der derzeitigen EU-Taxonomie lediglich die Sanierung belohnt, die zur besten Effizienzklasse führt. „Damit wird die effizienteste Art der Sanierung, nämlich die Sanierung besonders ineffizienter Gebäude, von der Taxonomie praktisch nicht gewürdigt beziehungsweise sogar bestraft“, so Kluttig.
Die Bedeutung von bezahlbarem Wohnraum in Metropolen trotz klimapolitischer Ziele wurde im Vortrag von Professor Moritz Schularick, dem Präsidenten des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, eindrücklich hervorgehoben. Schularick beleuchtete die makroökonomischen Aspekte des Wohnens und betonte: „Wohnungsmangel und Wirtschaftswachstum stehen in einem engen Zusammenhang.“ Große städtische Ballungsräume fungierten als Innovationszentren der deutschen Wirtschaft, doch gerade dort seien die Wohnungspreise stark gestiegen. Schularick warnte, dass die wirtschaftliche Gesamtleistung darunter leide, wenn produktive Menschen nicht an den produktivsten Orten wohnen könnten.
Ein weiterer Höhepunkt war der Vortrag von Prof. Elisabeth Endres, Professorin für Architektur, Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften an der Technischen Universität Braunschweig. Sie stellte das Manifest fünf führender Wissenschaftler vor, das eine Abkehr von der reinen Effizienzbetrachtung bei Gebäuden fordert und stattdessen die CO₂-Reduktion von ganzen Quartieren in den Fokus rückt. Endres forderte, das Narrativ zu ändern: „Die Sanierung der Gebäudehülle und der Umbau auf Flächenheizsysteme ist kein Muss, um Niedertemperatursysteme im Bestand einzusetzen – Wärmepumpen können fossile Verbrennung sogar in unsanierten Gebäuden ablösen.“
In der anschließenden teils hitzigen Diskussionsrunde mit den bau- und wohnungspolitischen Sprechern Dr. Jan-Marco Luczak (CDU), Daniel Föst (FDP) und Bernhard Daldrup (SPD) gab es einen Rundumschlag zu den großen politischen Themen, die die Branche beschäftigen: Von Energieeffizienz über Gebäudestandards und Baugesetzbuch hin zur EU-Taxonomie – Moderator Volker Wieprechtließ kein Thema aus. Häufig gingen die Meinungen weit auseinander, volle Zustimmung herrschte aber bei der Initiative, die Endres vorgestellt hat: CO₂-Reduktion mit klarer Zielformulierung statt Effizienzfetisch und Maßnahmendiktat.
GdW vergibt Stipendien
Bereits zum 15. Mal vergab der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW auf dem Tag der Wohnungswirtschaft in feierlichem Rahmen drei Stipendien an die bundesweit besten Absolventen der Ausbildung zur/zum Immobilienkauffrau/-mann, die ihre Ausbildung bei einem der Mitgliedsunternehmen der Regionalverbände des GdW mit sehr gutem Ergebnis abgeschlossen haben. Die Stipendien gelten für ein berufsbegleitendes Bachelorstudium an einer von den wohnungswirtschaftlichen Verbänden eingerichteten Hochschule.
Nico Zapel, Ausbildung zum Immobilienkaufmann bei der Schweriner Wohnungsbaugenossenschaft eG
Daniel Kohn, Ausbildung zum Immobilienkaufmann bei der SAGA Unternehmensgruppe, Hamburg
Henning Fleßner, Ausbildung zum Immobilienkaufmann bei der GEWOBA EMDEN Gesellschaft für Wohnen und Bauen mbH (zeis)