„Zukunft braucht Fläche“ – Verbände in Baden-Württemberg fordern eine realitätsorientierte Ermöglichungsplanung

Aus Sicht von Wirtschaft und Kommunen ist es unerlässlich, auch in Zukunft attraktive Standortbedingungen für Baden-Württemberg zu gewährleisten. Dazu gehört eine Politik, die alle relevanten Aspekte sorgfältig abwägt und das Schaffen von Raum für die Zukunft ermöglicht. Nur so kann die Energiewende gelingen, der dringend benötigte Wohnraum gebaut und Investitionen der Unternehmen am heimischen Standort sichergestellt werden. Einig sind sich die beteiligten Kommunen, Kammern und Verbände: Ohne ausreichend verfügbare Flächen wird dies nicht im erforderlichen Maße möglich sein!
Forderung nach klarer Flächenpolitik
Im gemeinsamen Positions- und Faktenpapier, das Ende Oktober in Stuttgart im Rahmen einer Landespressekonferenz vorgestellt wurde, haben die 11 Verbände konkrete Bedarfe für die kommenden Jahre analysiert und liefern damit eine sachliche Grundlage für den weiteren politischen Prozess. Sie fordern, dass die Politik klare Zielkonflikte benennt und Lösungen aufzeigt. Laut der Analyse werden in den nächsten Jahren erhebliche Flächenbedarfe von mindestens plus 2,4 Prozent der Gesamtfläche Baden-Württembergs in den nächsten beiden Jahrzehnten, für die Sicherung des Industriestandorts und der dazugehörigen Arbeitsplätze, den Wohnungsbau, die Umsetzung der Energiewende und den Ausbau einer modernisierten Infrastruktur sowie ein nachhaltiges Umweltmanagement erforderlich sein. Dabei geht es um den Flächenbedarf, der für einen starken Standort Baden-Württemberg zum Erhalt der Daseinsvorsorge von Bürgern als auch die Zukunftsfähigkeit von Betrieben und Unternehmen unerlässlich sind.
Die Verbände betonen dabei ausdrücklich, dass der sparsame und verantwortungsvolle Umgang mit der Ressource ‚Fläche‘ fraglos hohe Priorität hat. Dies umfasst auch den Schutz der Biodiversität, den Erhalt der Lebensgrundlagen sowie die Berücksichtigung von landwirtschaftlichen Nutzflächen. In diesem Zusammenhang bekennen sich die Akteure klar zur Förderung der Innenentwicklung, um den Flächengebrauch, insbesondere die Versiegelung von Flächen, möglichst gering zu halten.
Gesellschaftsvertrag und Selbstverwaltung als Basis
Die Selbstverwaltung der Kommunen in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft formen das Rückgrat des baden-württembergischen Gesellschaftsvertrags. Dieser beruht auf den Prinzipien der Daseinsvorsorge und der aktiven Zukunfts-Gestaltung seitens kommunaler und wirtschaftlicher Akteure. Es ist die Erfolgsgrundlage unseres Landes, welche es zu bewahren und fortzuschreiben gilt, damit auch die umfangreiche Transformation in Baden-Württemberg gelingt.
Die Verbände wollen mit dieser Erklärung einen auf Grundlage sachlich hergeleiteter Bedarfe entwickelten Beitrag zur wichtigen Diskussion über das Gelingen einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Flächenpolitik im Sinne einer realitätsorientierten Ermöglichungsplanung einbringen. Einer Politik, die dem wohlstandswahrenden Wachstum und der zukunftssichernden Entwicklung Baden-Württembergs Rechnung trägt.
„Im Wohnungsbau – insbesondere im bezahlbaren Wohnungsbau – lässt sich ohne Fläche nicht viel bewirken“, betonte Peter Bresinski, Präsident des vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen. „Ein starker Wirtschaftsstandort wird getragen von den Menschen, die hier arbeiten und wohnen. Um die Bevölkerung mit ausreichend bezahlbarem und generationengerechtem Wohnraum versorgen zu können, reicht die Innenentwicklung in den Kommunen allein nicht aus. Vielmehr müssen dafür auch neue Flächen in Anspruch genommen werden. Insbesondere, wenn es im bezahlbaren Mietwohnungsbau um hohe Geschossflächenzahlen und serielle Bauweise geht.“
„Damit sich Kommunen entwickeln können und in Zeiten des demografischen Wandels und des Zuzugs attraktiv bleiben, ist neuer, bezahlbarer Wohnraum unverzichtbar“, sagte Dr. Frank Pinsler, Vorsitzender der KoWo Vereinigung baden-württembergischer kommunaler Wohnungsunternehmen. „Die Wohnungsnachfrage übersteigt seit vielen Jahren das Angebot, gerade in den urbanen Ballungsräumen. Es wird nicht gelingen, den Bedarf allein durch die Nutzung von Baulücken und durch Aufstockung zu decken. Notwendig sind auch neue Baugebiete für verdichteten Wohnungsbau im bezahlbaren und geförderten Preissegment, die den aktuellen demografischen und gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Die kommunalen Wohnungsunternehmen können ihren Beitrag nur leisten, wenn auch zukünftig ausreichend Bauland zur Verfügung gestellt werden kann.“
Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, verwies auf die Bertelsmann-Studie, die Baden-Württemberg bis zum Jahr 2040 einen Bevölkerungszuwachs von 4,6 Prozent auf insgesamt 11,61 Millionen Menschen prognostiziert. „Innerstädtische Verdichtung allein kann das Wohnungsproblem nicht lösen“, so Möller. „Die Zukunftsfähigkeit ist zu beachten. Notwendige Investitionen und Maßnahmen zur Schaffung von bezahlbarem (!) Wohnraum und zur Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dürfen keinesfalls verzögert werden.“ Die Bauwirtschaft kann laut Möller auch auf kleineren Flächen bauen – doch ohne zusätzliche Flächen gehe es nicht.
„Die Schaffung von mehr Wohnraum ist eine der größten sozialen und gesellschaftspolitischen Aufgaben unserer Zeit. Die Fertigstellungszahlen im Wohnungsneubau liegen deutlich unter dem tatsächlichen Bedarf und den von der Politik gesetzten Zielen. Einerseits gilt es mit Priorität, Flächen im Bestand durch Nachverdichtungen, Aufstockungen und Umwidmungen zu aktivieren, andererseits auch neue Bauflächen auszuweisen. Zusätzlich muss es gelingen, Bauen wieder billiger damit einfacher zu machen, um ein investitionsfreundlicheres Umfeld zu schaffen. Dazu zählen insbesondere der Abbau von regulatorischen Vorgaben und die Prozessbeschleunigung. Damit können wir die nötigen Wohnungen für Menschen schaffen, die im Land leben und arbeiten. Es braucht dafür einen Schulterschluss von Politik, den Kommunen, der Bauwirtschaft und den Finanzierungsunternehmen, um die Wohnungsbaulücke zu schließen“, stellte Bernd Hertweck, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Baden-Württembergischer Bausparkassen, fest. (schu)