Tag der Sächsischen Wohnungsgenossenschaften 2024: Orientierung in unsicheren Zeiten – Der richtige Weg zählt

In ihrem Grußwort betonte VSWG-Vorstand Mirjam Philipp, dass intelligente Wege zum richtigen Ziel in der heutigen Zeit in alle Richtungen gebraucht werden. Die Frage dabei ist jedoch, wer einen auf den richtigen Weg bringt und vor allem auf intelligente Weise. Dies beantwortete Mirjam Philipp klar mit: „Wir selbst!“ Denn durch die Erfahrungswerte der Vergangenheit, durch sachliche Informationen und mit Instinkt sei dies besonders in einer Zeit der gefühlten Orientierungslosigkeit wichtig.
Politische und wohnungswirtschaftliche Entscheidungen basieren immer auf der Basis von Fakten. So leitete der VSWG-Vorstand auf die Auswertung des Zensus 2022 über und betonte noch einmal, dass es in Deutschland angespannte Wohnungsmärkte gebe, aber diese nicht in Sachsen, nicht in Dresden und Leipzig liegen. Denn diese beiden Großstädte zeigen eine Situation, die noch nicht als angespannt bewertet werden kann. So liegt der Leerstand in Dresden bei 4,14 Prozent und in Leipzig bei 5,44 Prozent. Dies verdiene zwar ein besonderes Augenmerk, sei jedoch noch deutlich von Zuständen wie beispielsweise in Hamburg, Köln oder München entfernt. Hinzu kommt, dass in beiden sächsischen Großstädten das Umland noch deutliches Potenzial bietet. So zeigt sich, dass der Leerstand zum Teil wenige Kilometer vor den sächsischen Metropolen bereits bei neun Prozent und mehr liegt. Damit ist das Umland der drei Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz als wichtiges Potenzial zu verstehen. Dazu bedarf es nicht nur einer politischen Aufmerksamkeit, sondern auch eines Fokus auf funktionierende Mobilitätsangebote zwischen dem ländlichen Raum, den Mittelstädten und den Großstädten. Eine wichtige Aufgabe der neuen Landesregierung muss es daher sein, den Landesentwicklungsplan aus dem Jahr 2013, der mittlerweile über 10 Jahre alt ist, grundlegend zu überarbeiten. Die Daten und Trends des Zensus 2022 bieten also eine gute Grundlage, um frei von Emotionen oder ideologischen Vorstellungen, die richtigen Leitplanken der Wohnungspolitik zu entwickeln, fasste Mirjam Philipp zusammen und verwies die Teilnehmer auf die druckfrische Broschüre des Zensus 2022 auf ihren Plätzen.
Der ehemalige DDR-Fußballnationalspieler und Sportmanager von Dynamo Dresden Ralf Minge, vermittelte in einer Keynote unter dem Titel „Wer führen will, muss Menschen lieben“ seine persönlichen Erfahrungen in Sachen Führung und machte dies sehr unterhaltsam an anschaulichen Beispielen seiner beruflichen Laufbahn deutlich. Er stellte klar, dass man nicht als Führungspersönlichkeit geboren werde. Man müsse diese Kompetenzen erwerben und eigene Erfahrungen machen. Mit dem Credo – wirklich große Dinge beginnen immer von innen heraus – stellte Ralf Minge am Ende seines Vortrags die Frage, was wichtiger sei: der Weg oder das Ziel? Er beantwortete diese mit: die Weggefährten.
Im Anschluss sprach der renommierte Journalist Richard Gutjahr über Fake News und Hass im Netz und zeigte an leidvollen, persönlichen Erfahrungen, wie seine berufliche Tätigkeit als ARD-Korrespondent für ihn und seine Familie fünf Jahre lang eine weltweite Hass-Kampagne im Netz ausgelöst hatte. Er kenne somit alle Tricks der Angreifer, aber auch, wie man sich dagegen wehrt. Im KI-Zeitalter gibt es für Richard Gutjahr Fakten, Lügen und alternative Wahrheiten. Dabei glaube jeder seiner eigenen Wahrheit und kommuniziere diese auch über die digitalen Kanäle. Für ihn stellt ChatGPT eine der größten Demütigungen für den Menschen dar und warnt ausdrücklich vor dem „Deep Fake Zeitalter“. Das Positive an dieser Entwicklung sei jedoch, dass wir alle die gleiche Chance haben, zu erlernen, richtig mit der mit KI umzugehen.
Neurowissenschaftler und Psychiater Prof. Dr. med. Volker Busch referierte unter dem Vortragstitel „Gehirn unter Strom – Vom klugen Umgang mit Reizflut, Multitasking und digitalem Alltagsstress“ und gab den Anwesenden Tipps, wie man besser mit dem digitalen Dauerstress umgeht. Pro Tag strömen 30 bis 40 Gigabyte an Informationen auf jeden Menschen ein. Darunter leide die Fokussierung am stärksten. Die Top-Down-Steuerung – die Fähigkeit sich konzentrieren zu können – stehe in ständiger Konkurrenz zur Bottom-Up-Steuerung – die Ablenkung. Dabei sei die Zeit der Refokussierung immer länger als die Unterbrechung selbst.
Dr. Corinna Hölzer, Mitgründerin der Stiftung für Mensch und Umwelt, die sich seit 2010 für mehr Biodiversität engagiert, gewährte in ihrem Vortrag Einblicke in die Gestaltung naturnaher Außenanlagen von Berliner Wohnungsbaugenossenschaften. Das Naturgartenteam der Stiftung plant und baut große Hofanlagen, kleine Trittsteinbiotope sowie sogenannte PikoParks. Mit Totholzarrangements, Natursteinen und heimischen, trockenheitsverträglichen Pflanzen entstehen nachhaltige und ästhetisch ansprechende Anlagen.
Im Anschluss referierte Prof. Dr. Florian Ebrecht vom Spar- und Bauverein Dortmund in seinem Vortrag zur strategischen Ausrichtung und den Herausforderungen der Wohnungswirtschaft bei der Entwicklung und Umsetzung des Klimareduktionspfads und der EU-Taxonomie. Er erörterte in diesem Kontext die sich daraus ergebenen Anforderungen sowohl im Hinblick auf Neubauten als auch auf Renovierungen von Bestandsgebäuden und verdeutlichte dies mit konkreten Zielen der Sparbau Dortmund.
Im letzten Teil der Tagung standen die Halbleiterindustrie in Sachsen und die Potenziale für die Wohnungswirtschaft im Vordergrund. Frank Bösenberg, Geschäftsführer von Europas größtem Mikroelektronik-Cluster, dem Silicon Saxony, präsentierte in seinem Vortrag die Entwicklung der Mikroelektronik- und Softwarebranche in Sachsen und die daraus resultierenden Implikationen für den regionalen Wohnungsmarkt. Bösenberg beleuchtete hierbei die jüngsten Erweiterungs- und Ansiedlungsentscheidungen und warum insbesondere Sachsen von der globalen Entwicklung der Halbleiterindustrie profitiert, analysierte deren Bedeutung für den Fachkräftebedarf, von dem er wiederum den Wohnraumbedarf ableitete. Er hob in seinem Vortrag den „Sogfaktor“ der Branche hervor, der weit über den Dresdner Norden hinauswirkt, und betonte die Notwendigkeit einer umfassenden Regionalentwicklung, die insbesondere den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, der sozialen Infrastruktur sowie des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) umfasst.

(jak/zeis)