Baden-Badener Tage der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in neuem Format

Nach der Begrüßung durch vbw-Verbandspräsident Peter Bresinski setzte die Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Maren Urner mit dem Vortrag „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang“ die ersten Akzente der Tagung. Sie beantwortete die Frage nach einem neuen Mindset angesichts einer krisengeprägten Zeit. „Das Gehirn lässt sich verändern, durch jede Wahrnehmung und Interpretation des Gehirns“, betonte Urner. Sie benannte drei Schritte zum dynamischen Denken: Es gelte immer zu fragen „Wofür bin ich eigentlich?“ und nicht wogegen. Wo gibt es Verbindungen und einen gemeinsamen Nenner, um das Lagerdenken zu überwinden? Und last but not least, gelte es, sich aus dem Gewohnheitstrott zu lösen. „Neugier und Mut, Dinge anders zu machen, helfen dabei“, sagte die Referentin. Prof. Dr. Sascha Armutat von der Hochschule Bielefeld setzte das Augenmerk unter dem Titel „welches Personal brauchen wir?“ auf die Megatrends und die damit einhergehenden Veränderungen bei den Kompetenzbedarfen in den Wohnungsunternehmen. „Der Umbau, nicht der Abbau der Belegschaft wird notwendig sein“, betonte er. Er riet zu drei Schritten: Machen Sie eine strategische Personalplanung. Entwickeln Sie neue Rollenprofile. Akzeptieren Sie die Transformation mit umfangreichen Veränderungen in den Unternehmen und schaffen Sie mit emotionalen Bildern inspirierende Visionen für Ihr Personal. Beim anschließenden World Café ließ er die Geschäftsführer und Vorstände in kleinen Gruppen diskutieren und beraten.
Anleitungen zum ESRS/CSRD-Bericht und dem seriellen Bauen
Im zweiten Themenforum des Vormittags gaben vbw-Prüfungsdirektor Gernot Schober und Ralf Latus, Prokurist der GSW Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Sigmaringen, Einblick in die entscheidenden Schritte rund um die Berichtspflichten nach ESRS/CSRD-Richtlinie. Sie erklärten den Weg, den Wohnungsunternehmen diesbezüglich zu gehen hätten mit allen Vorarbeiten, Checks und To-do’s. Über die ersten Erfahrungen mit der GdW-Rahmenvereinbarung zum seriellen und modularen Bauen berichtete Fabian Viehrig vom GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Fast 5.000 Wohnungen wurden in rund 50 Bauvorhaben bis Ende 2023 innerhalb der ersten Rahmenvereinbarung beauftragt, unter anderem in Waiblingen, Stuttgart, Fellbach, Bad Cannstatt, Kernen, Böblingen und Weil am Rhein. Nun sollen innerhalb der neuen Rahmenvereinbarung, die mehr Wert auf ökologische Qualität und optionale Leistungen legt, weitere Wohnungen folgen. „Bei Ausschreibung und Entwurfskonzept müssen die Bauherren sehr konkret planen und früh entscheiden. Der Ablauf ist sehr strukturiert. Dafür erleben sie anschließend keine Überraschungen“, so Viehrig. Und er betonte: „Serielle Bauten können auch richtig schön sein“.
Wohnformen, Architektur und psychosoziale Gesundheit
Überalterung, Einsamkeit und Bezahlbarkeit sind laut Vera Völker von der Stadtberatung Dr. Sven Fries GmbH die großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Zeit. Sie berichtete in einem Themenforum gemeinsam mit Martin Gebler, Prokurist der Neues Heim – die Baugenossenschaft, über neue Wohnformen, die ein Mittel gegen Einsamkeit sein können. „Gemeinschaftliche Wohnformen bieten Menschen verschiedener Generationen, Herkunft, Einkommen und Lebenssituationen die Möglichkeit, zusammen zu wohnen und sich im Alltag gegenseitig zu unterstützten oder auch finanziell zu entlasten“, so Völker. Co-Housing, Clusterwohnen und Mikro-Apartments zählen dazu. Gemeinschaftliches Wohnen verlangt der Wohnungswirtschaft sehr viel mehr Prozesssteuerung und Moderation ab. „Wir bieten aber „Wohnen“ und nicht nur „Wohnung“ an“, formulierte Gebler den Auftrag der Wohnungswirtschaft. Die Volkswohnung hat – gefördert von der Wohnraumoffensive Baden-Württemberg – vor drei Jahren eine wissenschaftliche Studie zur „Architektur und psychosozialen Gesundheit im bezahlbaren Wohnungsbau“ in Auftrag gegeben. Anja Kulik, Mitglied der Geschäftsleitung für den Bereich Bestandsentwicklung und Soziales bei der Volkswohnung GmbH, stellte die Studie und deren Ergebnisse vor. Diskutiert wurde im Anschluss insbesondere über die Tatsache, dass sich die Bewohner vor allem Privatheit wünschen, beispielsweise in Bezug auf Einblicke in die Wohnungen oder auf Balkone und Terrassen und in Bezug auf Lärm. Sie lehnen Gemeinschaftsräume eher ab, und kommen mit Interessengemeinschaften im Haus besser zurecht als in „durchmischten“ Gebäuden. Was diese Ergebnisse für die Wohnungswirtschaft und ihre Wohnungsbestände bedeuten, werden die Unternehmen jeweils vor Ort entscheiden müssen.